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Spie­gel Online Inter­view mit Mat­thias Kirbs: „Bei Ihrem Dia­lekt hat der Kon­kur­rent bes­sere Chancen“

Spie­gel Online Inter­view mit Mat­thias Kirbs: „Bei Ihrem Dia­lekt hat der Kon­kur­rent bes­sere Chancen“

Ein Inter­view mit mir auf Spie­gel Online. Redak­teu­rin Eva-Maria Hom­mel hatte nach „Dia­lekt­re­duk­tion“ gesucht und mich als Spe­zia­lis­ten im Web gefun­den. Das Inter­view ist ihr gelun­gen, finde ich. Es sind zahl­rei­che Leser­kom­men­tare zu fin­den. Und ich bekomme noch immer Anrufe und Mail­an­fra­gen wegen der Veröffentlichung.

Im SPON Ori­gi­nal mit zahl­rei­chen Kom­men­ta­ren fin­den wir es hier. Wir lesen:

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Der Chef ist fach­lich top, aber wenn er den Mund auf­macht, nimmt ihn nie­mand mehr ernst: Füh­rungs­kräfte mit Dia­lekt haben es schwer. Sprech­trai­ner Mat­thias Kirbs erklärt, wie sie den Makel loswerden.

Kar­rie­re­SPIE­GEL: Sie bie­ten Kurse zur Dia­lekt­re­duk­tion an. Was ist so schlimm an einem Dia­lekt? Kirbs: In vie­len Situa­tio­nen wirkt ein Gesprächs­part­ner mit Dia­lekt weni­ger kom­pe­tent. Er ruft schon beim ers­ten Ken­nen­ler­nen Schmun­zeln her­vor. Das Gegen­über kann sich gar nicht auf den Inhalt kon­zen­trie­ren, son­dern über­legt nur: Wo kommt der denn her? Beson­ders kri­tisch wird es, wenn man gar nicht ver­stan­den wird. Ins­ge­samt wird Hoch­deutsch immer wich­ti­ger – auch weil die Dia­lekte lang­sam ver­schwin­den. Kar­rie­re­SPIE­GEL: Wer sind Ihre Kunden?

Kirbs: Da gab es zum Bei­spiel eine Rechts­an­walts­kanz­lei aus Sach­sen, die hat immer wie­der Fälle ver­lo­ren, obwohl sie die bes­se­ren Argu­mente hatte. Oder einen Unter­neh­mens­be­ra­ter aus Meck­len­burg-Vor­pom­mern, der klang oft unfreund­lich. Es mel­den sich auch Head­hun­ter bei mir, die sagen, ich habe hier jeman­den aus Süd­deutsch­land, der soll in Ham­burg Vor­stand wer­den. Manch­mal wer­den Leute auch von Vor­ge­setz­ten geschickt, obwohl sie das gar nicht wollen.

Kar­rie­re­SPIE­GEL: Wer­den man­che Dia­lekte eher akzep­tiert als andere?

Kirbs: Vor allem in den alten Bun­des­län­dern sagen viele: Säch­sisch geht gar nicht. Aber auch andere Dia­lekte kom­men nicht gut an. Fran­ken und Bay­ern mögen sich nicht, Köl­ner und Frank­fur­ter beschimp­fen sich fast. Man­che ras­ten bei einem Ber­li­ner Dia­lekt aus.

Kar­rie­re­SPIE­GEL: Hat es auch Vor­teile, wenn man „alles außer Hoch­deutsch“ kann?

Kirbs: Wenn ich regio­nal arbeite, ist es natür­lich gut, die regio­nale Spra­che zu spre­chen. Aber wenn ich deutsch­land­weit arbeite oder in einer Außen­stelle in Paris, sind die Kun­den völ­lig irri­tiert, wenn ich Dia­lekt spre­che. Da hat der Kon­kur­rent dann oft bes­sere Chan­cen. Es kommt auch dar­auf an, wie man selbst damit umgeht. Wenn ich sehr selbst­be­wusst bin, kann ich sogar damit punk­ten. Ich kenne einen Top-Ver­käu­fer, der nur Säch­sisch spricht. Bei ande­ren Men­schen ent­steht aber regel­recht ein Lei­dens­druck. Da war zum Bei­spiel eine Leh­re­rin aus Dres­den, die unter­rich­tete in Nord­deutsch­land eine Abitur­klasse. Sie kam wei­nend zu mir und sagte, die mob­ben mich. Sie hat ein Drei­vier­tel­jahr bei mir trai­niert, und dann hat sie die Abi­rede in rei­nem Hoch­deutsch gehal­ten. Die Schü­ler haben Schil­der hoch­ge­hal­ten, auf denen sie sich bedankt haben. Kar­rie­re­SPIE­GEL: Wirkt es nicht unna­tür­lich, wenn man sich sei­nen Dia­lekt abtrainiert?

Kirbs: Es geht gar nicht darum, ihn abzu­trai­nie­ren. In den Füh­rungs­eta­gen ist es wich­tig, umschal­ten zu kön­nen. Das ist eine zusätz­li­che Kom­pe­tenz. Sie dür­fen das andere ja zu Hause wei­ter­hin spre­chen. Ver­stel­len Sie sich, wenn Sie Eng­lisch spre­chen? Das ist doch das Gleiche.

Kar­rie­re­SPIE­GEL: Wie brin­gen Sie Ihren Kun­den bei, Hoch­deutsch zu sprechen?

Kirbs: Wir fan­gen gar nicht mit dem Spre­chen an, son­dern mit dem Hören. Die Men­schen erken­nen gar nicht, dass sie anders spre­chen. Ich wirke dem Schwach­sinn ent­ge­gen – dem schwa­chen Hör­sinn. Zunächst sol­len die Leute Sil­ben und Wör­ter lang­sam nach­spre­chen. Die eigent­li­che Schwie­rig­keit ist aber, das Gelernte in die All­tags­spra­che zu inte­grie­ren. Wir trai­nie­ren des­halb spe­zi­ell Worte, die im Geschäfts­le­ben oft gebraucht wer­den. Ein­ge­übte Brü­cken­sätze sol­len dabei den Ein­stieg ins Hoch­deut­sche erleich­tern: „Gute Frage.“ Oder: „So habe ich das noch gar nicht gese­hen.“ Im All­tag sollte man auch dar­auf ach­ten, wie zum Bei­spiel in den Tages­the­men oder beim Deutsch­land­funk gespro­chen wird.

Kar­rie­re­SPIE­GEL: Wie lange dau­ert es, bis jemand dia­lekt­frei spre­chen kann?

Kirbs: Das hängt vom Fleiß der Men­schen ab und vom Ziel. Man­che wol­len den Dia­lekt nur abschwä­chen, andere wol­len ihn weg­ha­ben. Nach etwa sechs Mona­ten, mit vier Ter­mi­nen pro Monat, habe ich in der Regel einen Lern­erfolg. Man sollte aber auch min­des­tens genauso lange zu Hause üben. Ich mache auch Grup­pen­trai­nings in Unter­neh­men, die dau­ern zwei Tage. Danach haben alle einen Zugang, sodass sie das Gelernte am Tele­fon umset­zen kön­nen. Viel Übung hilft viel: Junge Väter sol­len ihren Kin­dern Mär­chen vor­le­sen. Man­che hören sich beim Jog­gen oder Fahr­rad­fah­ren meine Lern-Auf­nah­men an und spre­chen die dann nach.

Kar­rie­re­SPIE­GEL: Kann jeder Mensch Hoch­deutsch lernen?

Kirbs: Ja, auf jeden Fall. 

Kar­rie­re­SPIE­GEL: Kön­nen Sie selbst auch Dia­lekt sprechen?

Kirbs: Klar. Ich komme aus Meck­len­burg-Vor­pom­mern, war Nach­rich­ten­spre­cher, wollte zum NDR, und dachte, ich spre­che doch Hoch­deutsch. Aber ich musste ganz lange daran arbei­ten. Im Radio hört man selbst kleine Nuan­cen. Pri­vat muss aber nie­mand auf sei­nen Dia­lekt ver­zich­ten. Es geht schließ­lich um Hei­mat, da zie­hen die Leute Stärke und Selbst­be­wusst­sein raus.