Interview mit Matthias Kirbs auf hrm.de
- Am 20. Mai 2013
- Von Matthias Kirbs
- In Allgemein
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Was tun Sie, wenn sich Menschen gar nicht auf ihre Gefühle einlassen möchten beim Sprechen? Diese Situation ist mir unbekannt. Ich fordere meine Klienten immer erst auf, etwas zu tun und es auf sich wirken zu lassen. Damit lasse ich den Verstand an dieser Stelle außen vor. Das Erleben führt dann dazu, dass auch Skeptiker sich öffnen, weil sie hören, wie sich ihre Stimme wandelt und ganz begeistert sind. Ich habe für mich gelernt: Sagen Sie einem betont rationalistischen Menschen nicht: Wir machen jetzt Tai-Chi. Leiten Sie einzelne Übungen an und führen Sie Menschen ins Erleben. Dann kann gern über Methoden räsoniert werden. Übrigens wäre es wenig sinnvoll rational zu diskutieren, denn ein Sprechtempo ist Gewohnheitssache; und wer möchte die schon gern ohne guten Grund ändern? Welche innere Haltung macht es mir leichter, sicher zu sprechen? Klarheit in meiner Rolle und bei meinen Botschaften. Viele Menschen sprechen eher unbedacht aus sich heraus oder sie kommen aus ganz verschiedenen Gründen – zum Beispiel Furcht, Desinteresse oder Misstrauen – nicht zum Punkt. Sicheres Sprechen setzt aber einen Mitteilungswillen voraus. Die zweite Bedingung betrifft das Wissen um die Adressaten und Anlässe: Wer sind meine Zuhörer in welcher Situation? Im Dialog werde ich langsamer sprechen, damit der Andere hinhören kann. Geht es um schnelle Vermittlung von Informationen ist langsames Sprechen aber kontraproduktiv. Außerdem hat jeder Mensch eine persönliche Erregungsfrequenz, ab wann er etwas gut findet. Er braucht einen gewissen Reiz, um etwas interessant zu finden. Auch das muss ich beim bewussten Sprechen bedenken und in der Dialogsituation auszuloten versuchen. Sichere Rede ist immer dialogorientierte Rede und geht nicht über die Köpfe der Zuhörer hinweg. Hilfreich ist es auch, sich klarzumachen, dass Ausdruck immer eine stimmliche und sprachliche Komponente hat. Im Zusammenspiel der beiden lassen sich kleine Schwächen oder weniger erwünschte Eigenheiten austarieren: Spreche ich trotz piepsiger und dünner Stimme klar, wirke ich dennoch kraftvoll. Äußere ich mich mit wirkungsvoller Stimme unzusammenhängend, wirke ich immer noch überzeugend. Inwiefern fördern denn auch mentale Bilder den stimmlichen Ausdruck? Sie sind ganz wichtig, durch sie bekomme ich als Redender Kraft. Wenn ich ‚Freund‘ sage und das Wort innerlich verbinde mit dem Satz: ‚Ich habe einen Freund, der ist groß wie ein Baum, mit Schultern so breit wie ein Kleiderschrank‘, dann nimmt der Hörende die Botschaft besser auf. Allerdings helfen mentale Bilder nicht allen Menschen. Ich mache auch Stimmtrainings für Introvertierte. Sie entscheiden sich, ihre Gefühle anders auszudrücken. Sie betonen viel dezenter, so dass wir das im Alltag kaum hören. Wir sollten also auch lernen, anders zuzuhören. Sprechen und Hören bedingt sich gegenseitig. Wobei ich immer vom Hinhören spreche. Zuhören bedeutet für mich persönlich, dass ich in meinen Gedanken schon meine Erwiderung formuliere oder das Gesagte interpretiere. Beim Hinhören bin ich ganz beim Anderen. Ich höre besser, wie sauber der andere argumentiert, wo er in welcher Weise betont und kann Pausen, die er macht, ganz anders interpretieren. Das trainiere ich mit meinen Klienten. Deswegen gebe ich wenig Bilder vor, denn der Sinneskanal ‚Ohr‘ soll geschult werden. Wie gelingt es mir, souverän, aber doch natürlich zu sprechen? Das werde ich oft gefragt. Viele Klienten fürchten, gekünstelt zu wirken. Sie möchten anderen Menschen keine Rolle vorspielen und etwas darstellen, was sie nicht sind. Denn anfangs gehört ein wenig Training dazu. Für einige Klienten fühlen sich neue Sprechweisen erst einmal ungewohnt an, weil es so neu für sie ist. Zum Beispiel sprechen sie viel lauter oder öffnen ihren Kiefer mehr. Ich mache ihnen dann den Unterschied vor, was viele überzeugt. Sie können das Neue dann besser annehmen. Die Einwände der Leute müssen an dieser Stelle sehr ernst genommen werden, weil sie tief verankerte Glaubenssätze in der jeweiligen Persönlichkeit tangieren. Lassen sich diese wandeln, ist eine substantielle Arbeit an der Stimme möglich. Wie oft passiert es, dass Klienten ihre eigene Stimme nach einer Arbeit daran nicht annehmen können? Das passiert in meiner Praxis hin und wieder Menschen, die zum Rundfunk oder Fernsehen wollen; und bei denen klar ist, dass sie sich nicht so ganz dafür eignen. Alle anderen nehmen ihre Stimme an. Menschen, die eine sehr hohe oder eher krächzende Stimme haben, zeige ich, wie sie warme Töne anschlagen können. Diesen neuen Stimmklang versuchen sie dann anhand von Spielregeln, die ich ihnen gebe, im Alltag zu leben. Bei einer hohen Stimme empfehle ich, den Körper – der ohnehin Klangraum für Stimme ist – mehr einzusetzen. Durch körperliche Präsenz und Spannung des Zwerchfelles wird die Stimme tiefer. Generell gilt: Harmonieren Sprechweise, Atmung, Intonation und Körpersprache, werden Sie stets ein für sich optimales Ergebnis erzielen. Was kann der Klang einer geschulten Stimme bewirken? Vertrauen. Wenn ich mich wohl fühle, wenn ich gut gestimmt bin, ziehe ich Menschen an. Denn jeder mag mit in sich gestimmten Menschen zusammen sein. Wenn ich mit mir in Kontakt bin, also mit meinen Gedanken und mit meiner Gefühlswelt, hören andere mir gern zu. Wenn ich die Frage auf die Businesswelt beziehe, fallen mir insbesondere Frauen in Führungsriegen ein. Sie wollen ja nicht nur als nett gelten, sondern ernst genommen werden. Kompetenz strahlen sie durch ein geschultes Gespür für Pausen und warme Töne in der Stimme aus. Das betrifft nicht nur Beiträge in Meetings und Unterhaltungen. Der Klassiker ist ein gesäuseltes ‚Tschüss‘. Gegenüber Männern wirkt das weniger souverän. Klare, bewusst gesprochene Sätze vermitteln grundsätzlich eine klare Linie. Vielen Dank für das interessante Gespräch. Interview: Stefanie Heine