Bergsee

Inter­view mit Mat­thias Kirbs auf ear​-fide​lity​.de

Inter­view mit Mat­thias Kirbs auf ear​-fide​lity​.de

Im Rah­men der Kam­pa­gne „Hören ist High Tech“ des Bun­des­ver­bands der Hör­ge­räte-Indus­trie, gibt Mat­thias Kirbs sein Wis­sen als Hör-Held weiter. 

„Rich­ti­ges Hin­hö­ren ist akti­ves Handeln“

Jeder gesunde Mensch besitzt eine Stimme, doch nur wenige set­zen sie opti­mal ein. Wie dies funk­to­niert, zeigt Stimm­trai­ner Mat­thias Kirbs in sei­nen Kur­sen bei Stimm­wel­ten in Ham­burg. Der gelernte Schau­spie­ler war viele Jahre als Mode­ra­tor und Nach­rich­ten­spre­cher tätig. Seit 2002 ist er Trai­ner und Bera­ter für Stimme und Prä­senz, vor allem für Mit­ar­bei­ter gro­ßer Unter­neh­men. Wie wich­tig dabei ein gutes Hin- und Zuhö­ren ist, ver­rät er im Interview.

Herr Kirbs, wie wird man Sprech­coach oder Stimm­trai­ner? Wie haben Sie gelernt, bei ande­ren Men­schen ganz genau hinzuhören?

Schon wäh­rend mei­ner Schau­spiel- und Gesangs­aus­bil­dung habe ich gelernt, genau auf die Kol­le­gen zu hören. Das gilt sowohl für Dia­loge und Stich­wör­ter am Thea­ter als auch für die Ton­lage im Chor. Auch bei der Aus­bil­dung als Spre­cher, Trai­ner und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­ra­ter ist das Üben des genauen Hin- und Zuhö­rens sehr wich­tig. Jedoch reicht ein Semi­nar dazu nicht aus, jah­re­lange Erfah­rung und stän­di­ges Trai­ning im All­tag sind hier ent­schei­dend. Dazu kann neben Schau­spiel­kunst auch eine Tätig­keit als Mode­ra­tor, Sprech­erzie­her oder Sprach­wis­sen­schaft­ler als Basis hilf­reich sein. Stimm­trai­ner ist zwar kein Aus­bil­dungs­be­ruf, aber es gibt zahl­rei­che Wei­ter­bil­dungs­mög­lich­kei­ten von IHKs, Insti­tu­ten oder Akademien.

Wäh­rend Ihrer Aus­bil­dung haben Sie gelernt Men­schen zuzu­hö­ren. Wie wen­den Sie das nun in Ihrem Berufs­all­tag – als Hör-Held – an?

Der erste Schritt bei mei­ner Arbeit ist immer das genaue Hin­hö­ren, denn ich muss die Fein­hei­ten der Stimme mei­nes Gegen­übers erken­nen, um zu wis­sen, wo Ver­bes­se­rungs­po­ten­ziale lie­gen. Das funk­tio­niert nur mit einem sehr guten Gehör und in einer stö­rungs­freien Umge­bung. Ich biete zum Bei­spiel auch Kurse in Video­kon­fe­ren­zen an, aller­dings nur zur Dia­lekt­re­du­zie­rung. Über Skype führe ich kein ech­tes Stimm­trai­ning durch, da hier die Fein­hei­ten kaum wahr­zu­neh­men sind. Beim Basis-Stimm­trai­ning per Skype bestehe ich vor Beginn auf ein per­sön­li­ches Ken­nen­ler­nen, um die Stimme direkt zu hören. Die Wahr­neh­mung über das eigene Gehör ist nicht zu ersetzen.

Wie sor­gen Sie für Ihr Gehör? Neh­men Sie zum Bei­spiel regel­mä­ßig an Hör-Tests teil?

Ich sel­ber gehe regel­mä­ßig zum HNO-Arzt und prüfe mein Gehör durch medi­ta­ti­ves Trai­ning und das Sin­gen im Chor. Hier sind Beein­träch­ti­gun­gen sehr schnell fest­zu­stel­len. Mei­nen Kun­den emp­fehle ich aber die Teil­nahme an Hör­tests. Und außer­dem auch das rich­tige Hin­hö­ren als akti­ves Han­deln zu betrach­ten. Dies wird oft unter­schätzt, da es so aus­sieht, als ob man nichts machen würde. Aber nur durch eine hohe Kon­zen­tra­tion beim Zuhö­ren lässt sich eine posi­tive Bezie­hung zwi­schen Red­ner und Zuhö­rer aufbauen.

Sie bie­ten ver­schie­denste Kurse an, um die eigene Stimme zu opti­mie­ren. Aus wel­cher Moti­va­tion her­aus neh­men Ihre Kun­den an einem sol­chen Trai­ning teil?

Meine Kun­den kom­men größ­ten­teils aus Unter­neh­men. Sie wol­len zum Bei­spiel in der Öffent­lich­keit Prä­sen­ta­tio­nen hal­ten, ein Pro­dukt ver­kau­fen oder neue Kun­den gewin­nen. Oft wer­den sie auf eine höhere Posi­tion beför­dert und müs­sen ler­nen, wie ein Chef zu spre­chen, um ernst genom­men zu wer­den. Dazu gehö­ren die Modu­la­tion einer zu hohen oder tie­fen Stimme sowie das Ver­wen­den der rich­ti­gen Satz­me­lo­die. Aber auch in ihrem Job erfah­rene Per­so­nen wie Poli­ti­ker gehö­ren zu den Kun­den. Hier ist die Anfor­de­rung oft gegen­tei­lig, näm­lich das Brem­sen des Spre­chens sowie das Ler­nen, zuzu­hö­ren und Reak­tio­nen zu tes­ten. Schließ­lich will kein Publi­kum zuge­tex­tet werden.

Ihr Ziel ist es, Men­schen zu hel­fen, die eigene Stimme bes­ser ein­zu­set­zen. Wie wich­tig ist die Stimme für das eigene Auf­tre­ten, zum Bei­spiel im Beruf oder auch pri­vat? Wel­chen Anteil nimmt die Stimme neben Ges­tik und Mimik ein?

Die Stimme hat einen über­ra­schend klei­nen Ein­fluss auf den Gesamt­ein­druck beim Spre­chen. Nach diver­sen Unter­su­chun­gen ist hier die Kör­per­spra­che, also Mimik und Ges­tik, mit 55 Pro­zent am wich­tigs­ten. Mit 38 Pro­zent folgt die Stimme aber schon an zwei­ter Stelle. Und mit nur 7 Pro­zent der Inhalt. Aus die­sem Grund ergänze ich das Stimm­trai­ning durch Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Image-Bera­tung für Prä­sen­ta­tion und Kun­den­be­treu­ung. Spe­zi­ell für den Sprech­aus­druck sind eine prä­sente Stimme, eine klare Spra­che und das feh­ler­freie Spre­chen wich­tig. Im Gegen­satz zum Schrei­ber hat der Red­ner näm­lich nur einen Ver­such, den Inhalt kor­rekt und nach­voll­zieh­bar darzustellen.

Wir hören uns selbst anders als unsere Umwelt unsere Stimme wahr­nimmt. Inwie­fern kön­nen wir den­noch selbst Ein­fluss auf den Klang unse­rer Stimme nehmen?

Da wir uns selbst tat­säch­lich anders hören, ist dazu die Auf­nahme unse­rer Stimme auf ein Ton­band nötig. Viele Men­schen erken­nen sich beim Abhö­ren dann nicht wie­der, da der Kno­chen­klang fehlt. So ist es im ers­ten Schritt wich­tig, die eigene Ton­band­stimme anzu­neh­men, ähn­lich wie das Gesicht im Spie­gel­bild. Dann kann man das Sprech­tempo prü­fen, die Aus­drucks­weise, die Ver­ständ­lich­keit und auch den Klang der Stimme. Dabei sollte man sich in die Rolle des Zuhö­rers hin­ein­ver­set­zen: Was erwarte ich vom Red­ner, wie soll er spre­chen, wel­che Ton­lage ist für mich ange­nehm? Das lässt sich zum Bei­spiel mit einem Anruf­be­ant­wor­ter tes­ten, der so zu bespre­chen ist, wie man selbst am Tele­fon emp­fan­gen wer­den möchte.

Ist eine „schöne/angenehme“ Stimme Geschmacks­sa­che oder gibt es dafür defi­nierte Kri­te­rien? Arbei­ten Sie mit Mess­in­stru­men­ten, um die Stim­men Ihrer Kun­den einzuschätzen?

Es gibt ein objek­ti­ves Kri­te­rium: Jeder Mensch sollte seine indi­vi­du­elle Stimm­lage mit dem gesam­ten, vol­len Stimm­klang nut­zen. Ansons­ten glei­tet er schnell zu einem Kräch­zen, Piep­sen, Brum­men, Schreien oder Näseln ab, das fast jeder Zuhö­rer als unan­ge­nehm emp­fin­det. Man sollte sich beim Spre­chen auch in keine Rolle bege­ben, nicht nett oder hoch­nä­sig, her­ab­las­send oder unter­wür­fig sein. Am bes­ten eig­net sich der so genannte Eigen­ton mit der nor­ma­len, authen­ti­schen Stimme. Um Ver­stel­lun­gen oder Auf­re­gung zu ver­mei­den, lässt sich die Rede in Form eines Gesprächs in der All­tags­spra­che üben. Als Mess­in­stru­mente ver­wende ich zwar Auf­nah­me­ge­räte, die Ampli­tu­den anzei­gen, doch dies dient eher dazu, orga­ni­sche Stö­run­gen an Stimm­bän­dern oder Gehör fest­zu­stel­len, um dann einen Arzt oder Logo­pä­den ein­zu­bin­den. Um das Stimm­po­ten­tial zu ver­bes­sern, führe ich dann Übun­gen ähn­lich wie an der Schau­spiel­schule durch. Sie trai­nie­ren die Sprech­werk­zeuge wie Kie­fer, Lip­pen oder Zunge sowie das Zwerch­fell für mehr Lebendigkeit.